DEL-Offizieller erklärt, welche Härte selbst im Eishockey verboten ist

  • Herr Boos, in der DEL wird heftig über die Bestrafung von Fouls diskutiert. Sie als Vorsitzender des Disziplinarausschusses sind oft der Buhmann der Fans. Wie leben Sie damit?

    Ich kenne das ja schon seit vier Jahren, in denen ich den Job mache. Es ist nicht schön, aber Teil des Geschäfts.

    Auslöser der jüngsten Kontroverse war ein Check des Münchners Patrick Hager gegen den Straubinger Frederik Eriksson, der sich dabei am Knie verletzte. Hager bekam eine Spieldauerdisziplinarstrafe, wurde aber danach nicht gesperrt. Warum nicht?

    Checken ist erlaubt, und wir haben seit vier Jahren in Absprache mit allen sportlichen Leitern der DEL-Klubs die Maßgabe, diese Art von Knie-auf-Knie-Kontakt nicht zu sperren. Das heißt: Wir erkannten bei Hager die Absicht, den Gegenspieler an der Schulter regelkonform zu checken – in einer Situation, in der er checken durfte. Der Gegenspieler versuchte naturgemäß auszuweichen. Der Checkende traf ihn deshalb nicht am Oberkörper, sondern unten Knie auf Knie. Die Regel besagt: Es ist nur dann ein Kniecheck, wenn der Spieler das Knie gezielt herausstreckt, um den Gegner damit zu checken.

    Also war es nach dieser Auslegung eher ein Unfall?

    Bei der Geschwindigkeit auf dem Eis passieren Verletzungen, das lässt sich leider nicht vermeiden. Es war nach unserer Auslegung keine Aktion, die so rücksichtslos war, dass wir den Spieler über seine Strafe im Spiel hinaus hätten sperren müssen.

    Das sahen sie in Straubing anders.

    Fouls haben oft zwei Bilder. Es ist wie die bekannte Zeichnung, in der man eine alte und eine junge Frau sehen kann. Für den einen ist es das schlimmste Foul der Welt, für den anderen ein ganz normaler Check.

    Wie begegnen Sie dem Vorwurf, Sie schützten die Gesundheit der Spieler nicht ausreichend?

    Die DEL ist sicher nicht unfairer geworden. In den letzten vier Jahren hat sich der Anzahl der großen Strafen mehr als halbiert, und sie führen inzwischen häufiger zu Sperren. Früher war es vielleicht ein Verhältnis eins zu zehn. In dieser Saison hatten wir 31 Verfahren und neun Sperren. Dabei waren Vergehen wie Verlassen der Strafbank und anderes grob unsportliches Verhalten. Sperren sind aber die letzte Konsequenz. Gerade bei Fouls im laufenden Spiel ist es wichtig, Rücksichtslosigkeit und Vorsatz herausfiltern, denn sonst ist es schwer, das Spiel so zu behalten, wie wir, die DEL mit allen sportlichen Leitern, es haben wollen.

    Und zwar wie?

    Körperbetont, checken erlaubt, intensiv, schnell und emotionsvoll. Man muss an die Vernunft der Spieler appellieren. Die meisten sind gute Jungs. Zu meiner Spielerzeit hast du die Strafe nicht verstanden, im Verein hat sie auch niemand verstanden. Die Geldstrafe hat der Verein bezahlt, und du hattest ein Wochenende frei. Ich versuche, mit den Spielern zu reden und ihnen frühzeitig zu erklären, was sie machen können und was nicht.

    Die Straubinger prangern zudem an, dass zwei ihrer Spieler unlängst nach einer Schlägerei ohne Verletzte gesperrt wurden.

    Verletzungen erhöhen grundsätzlich nicht die Chance auf eine Sperre. Ist ein Foul rücksichtslos, wirkt sich eine Verletzung auf die Länge der Sperre aus. Wenn ein Spieler vorbestraft ist, also in den letzten zwei Jahren verwarnt oder bestraft wurde, geht das ebenfalls on top. Ein fairer Check ist erlaubt, eine Schlägerei nicht. Im konkreten Fall war es eine Wild-West-Schlägerei aus den 80ern. Das Spiel, Berlin gegen Straubing war entschieden, es stand 4:0 kurz vor Ende. Ein Straubinger fing die Schlägerei an. Der andere ließ es eskalieren. So etwas wollen wir vermeiden, gerade auch in Richtung Playoffs.

    Falls eine unfaire Aktion vom Schiedsrichter übersehen wird, können Sie nachträglich nur dann einschreiten, wenn der Klub des gefoulten Spielers am nächsten Tag die Bilder zur Liga schickt. Sind Sie damit zufrieden?

    Wir sind, in Abstimmung mit den Klubs dabei, Möglichkeiten zu prüfen, um die inzwischen vorhandenen technischen Möglichkeiten auch dafür zu nutzen, alle Spiele ligaseitig aktiv zu überprüfen. In den kommenden Playoffs werden wir das testen. Ein Antrag seitens der Vereine wäre dann nur noch die Ultima Ratio, wenn man dort eine ganz andere Auffassung hat.

    Bei der Foul-Bewertung orientieren Sie sich an NHL-Richtlinien?

    Sie haben mir geholfen, denn sie sind spielernah und realistisch. Ein Spieler will in der Regel niemanden verletzen, aber gegebenenfalls hart spielen. Wir müssen erkennen, ob es ein „Hockey Play“ ist – oder eben nicht.

    Was ist kein „Hockey Play“?

    Den Schläger missbrauchen, um einen Gegenspieler einen heftigen Stockschlag an einer verwundbaren Stelle zu versetzen. Den Ellbogen hochzureißen, um den Gegenspieler am Kopf zu treffen. Einen Spieler, der nicht reagieren kann, aus gefährlicher Distanz heftig in die Bande checken. Und Disziplinlosigkeiten sowie Tätlichkeiten zum Beispiel gegenüber Offiziellen. Dinge, die wir nicht in unserem Sport sehen wollen.

    Quelle: KSTA